Samstag, 30. März 2024

Strich drunter

 Strich drunter. Jetzt. Jetzt bin ich da. 

                                  Jetzt.

                                  Alles was kommt, ist kürzer.

                                  Das macht nach-denklich

                                                    vor-fühlig

                                                    ab-wägend, abwiegend was war

                                                                       was

                                                                       kann noch kommen

                                                                       wo gehen wir hin

                                                                       und wieviel Leben

                                                                       bleibt noch.

Nausea

In manchen Nächten

sehne ich mir

Dunkelheit und Schweigen.

Wer zerschießt die Laterne,

bringt die Stadt zum Verstummen?

Schweigend im Dunkel

Im Rücken der Teppich kratzt.

Über mir ein Zelt, eine Kuppel aus zer-

stückelten Bildern, Alp-

Träumen, aufsteigend aus meinen Augäpfeln,

ein funkelndes, ein faulendes,

gaukelndes, tanzendes  Kaleidoskop vergangener Tage.


Nausea.

Freitag, 29. März 2024

Harte Zeiten

Die Stadt ist voll gehängt mit Werbeplakaten für eine Großspinnenausstellung. 

Harte Zeiten für Arachnophobiker. Auffahrunfälle an Ampelkreuzungen oder mit geschlossenen Augen in der Fußgängerzone Roller fahren. 

Nachts schwarze Farbe und Kabelbinderkneifzangenmassaker.

Das geplante Opferfeuer hinter dem Ende der Straßenbahngleise fällt aus. 

Niemand will die Plakate so nah am Körper hintragen. Wer weiss, ob sie nicht -

 

 Am nächsten Tag fahren wir Riesenrad. 

Demut

Bevor ich gehe stolzer Blick im Garten. Das werd' ich schaffen diesjahr. Noch sind Gras und Unkraut nicht zu hoch gewuchert. Habe ich Kraft und Energie und bin gesund.

Minuten später vor der Ampel auf dem Rad beim Anfahr'n ratscht die Kette und blockiert. Ich stehe ausgebremst so jäh und falle um.

Was war denn das jetzt?! Rutsche seufzend unter meinem Rad raus, roll mich auf die Seite, alle Viere, stehe auf, Leute um mich schnattern, helfen, sind besorgt und freundlich, holen mein Rad und mich und Rucksack von der Fahrbahn. Hat man Sie angefahren? Was ist den passiert? Brauchen Sie wen, der Sie abholen kommen soll? Brauchen Sie einen Krankenwagen? Ich stehe etwas blöde, schüttle unentwegt die linke Schulter, auf die ich plautzte (nicht schon wieder, denke ich) denke mich in den Schmerz, den Muskel, schüttle, hebe den Arm behutsam über Kopf, beweise dass es geht und nichts gebrochen, danke allen mit Blick in die besorgten Augen, blanke Gesichter, jung und sportlich, falte die Hände, verbeuge mich und danke. "Sie können fahren, mir geht es gut, danke, ich komme heim, ich habs nicht weit. Ich danke Ihnen sehr."

Laufe ein Stückchen, schüttle noch den Arm, besteige dann mein Rad, vorsichtig, machen alle mit?  Kette - Schulter- Arm - Handgelenk? Ja, gut, es geht. Schreck ebbt ab. Demut und Dank ans Universum, Schutzengel, Hände die mich stützten. 

Hochmut kommt vor dem Fall oder wie war das?

 

Mittwoch, 27. März 2024

Gesammeltes im März

Morgenroutinen wieder aufnehmen. Radfahren am Fluß, auf die Mole rollen. Halt. Strecken, dehnen, zählen, hopsen, einbeinig, drehen, Hüfte öffnen, Nacken, Schultern rollen, lockern.   Guten Morgen.

Unten der Fluß. An einem Nebeltag das Silberlicht. Kormorane tauchen.

An einem Nebeltag die Tröpfchen in der Jackenwolle. Das Grasbüschel hinterm Zaun auf der Molenkante hat feine Tropfen auf den nadeldünnen Halmen aufgefädelt. Lichtfangperlen. Miniregenbögen, sichtbar nur im Liegen....

Die Löwenzähne in der Mauerritze an der Kaiser53 blühen schon. Im Garten sind die Veilchen umgezogen ins Mausegrasgewühl am Wein. In Vorjahrsgilbgrasnestern Herzgeblätter und lilablauer Duft. Rotschwarze Insektenmuster tanken Sonne. Käferlein und Wanzen. Winterschlaftrunkne Hummelköniginnen brummbumseln taumelig an meinen Hals.

 Orangenminze wacht am Wurzelfaden auf, ins Beet genähte grünrotkrause Knospen. Der Duft! Der Duft! Besuch im Garten wie jedes Frühjahr Wundertüte. Was ist umgezogen, abgestorben, ausgetrieben, wer wurde abgefressen, umgeblasen, totgeregnet. Die Sittichbande kreischt herum wie immer.

 

LAUT

So wie der Vollmond

nachts

in meine Küche schreit

so knallt am Tag

die Sonne.

Zwischen-zwei-Wolkenbrüchen-grell 

gleißt sie über Hände und Geschirr.

Springt mir von der Messerklinge

ins Gesicht!

 

Am Ufer rüsten sich Schaustellerbuden für den Ostermarkt. Morgens fährt die Sonne Riesenrad. Ratternd werden Stapelzäune herundhin gefahren. Radler kurven zwischendurch zur Schule oder Arbeit. 

Nachts leuchten die Gondeln wenn sie kurz übers Dach der Stadtbibliothek kurven. 

Die Kastanie hat innerhalb drei Tagen alle babyknitterzarten Blatthändchen aufgefaltet.

Am Abend plötzlich aufgeregt Radau. Krähen toben, Elstern schimpfen und tschackern, Amseln melden Alarm. Hey, was ist los Leute?!  Ich kann es nicht herausfinden, aber es ist wirklich sehr lange Alarmgetöse aller Vögel, am lautesten die Krähen. Es sind viele und sie klingen zornig. Hat Euch wer die Nistbaume gefällt? Boah. Krawallo.

Mein Kind schreibt eine Arbeit für die Uni, was sich bis in die Nacht zieht, irgendwann halb erstickt halb heulend, "die Änderungen sind nicht gespeichert!"     Mal schaun, wann wir alle ins Bett kommen, der Drucker steht beim GöGa im Zimmer...

Im Wohnzimmer kühlt Brot ab, sein Rosmarinduft (das Möhrenbrot ist mit Rosmarin & Nigella bestreut) zieht durch die Räume, vermengt sich mit Kokos&Vanille - Mupfpins für das morgige Abschiedskaffeetrinken unserer Kolleginnenrunde, deren eine demnächst für länger weiter weg fliegt. 

Die Kriege gehen weiter, es verdienen Viele daran, wir können in Echtzeit zuschaun. 

Spenden Sie wenn Sie können an medico international, Ärzte ohne Grenzen. Gaza, Nigeria, Sudan, pushbacks an europäischen Grenzen, der Ausverkauf der Menschenrechte geht weiter.

Dienstag, 23. Januar 2024

Rotkehlchen

Wege am Morgen

Etwas rollt - rennt - rollt - Blatt? Maus?
Blatt. Ach ja. Und Maus!
Henkelschwänzig verschwindet sie hinter dem Sicherungskasten.
Zwischen den Blättern fliegt ein Rotkehlchen auf. Landet knapp armweit vor mir.
Sieht mich an. Was ich ihm wohl bin? Wandernder Baum? Rinde insektenlos. Uninteressant.
Es zwitschermurmelt ein paar Vogelsilben. Ich antworte unbeholfen murmelzwitschernd.
So geht das eine Weile. Gespräche zwischen Spezies.


Wir teilen uns ein Habitat.

 

 

23.1.24

Sonntag, 31. Dezember 2023

wir leben in unruhigen zeiten II

 

wir leben in unruhigen zeiten

 wie leben in unruhigen zeiten.

was nicht verbrennt

wird davon geschwemmt von stetig steigenden flüssen,  endlosem regen,

der die dämme aufweicht und sich in die städte ergießt.


wir leben in unruhigen zeiten.

wer nicht verhungert, verdurstet, ertrinkt

vor der festung europa, 

die selber im inneren brennt,

bleibt auf jahre gestrandet in zelten

ohne aussicht auf zuflucht und frieden

- und die nationalisten geifern schon wieder gegen jeden, der schutz sucht.

 

wir leben in unruhigen zeiten.

so wenig wespen war'n nie

und die mauersegler flohen den nasskalten juli.

jeden schmetterling, der nicht kohlweissling war,

begrüßte ich freudig,

auch den nachtfalter am morgen, der in der beuge der jacke schlief.


wir leben in unruhigen zeiten.

die freunde, deren haut dunkler ist und deren name kein müller, schmitt oder heinz,

egal, ob sie zwischen den gleichen mauern geboren und leben wie ich,

diese freunde haben den koffer gepackt,

jenen kleinen, neben der wohnungstür, 

mit den geburtsurkunden der kinder, fotos der eltern, medikamenten, pässen und bargeld, mit

adressen von freunden, verwandten und liebsten in sicheren ländern.

unser land ist ihnen nicht länger heimat.


wir leben in unruhigen zeiten.

noch brauche ich keinen koffer,

noch schützen mich name und haut,

noch denke ich unbesorgt laut

wo andere fürchten um leib oder leben, um freiheit.


wir leben in unruhigen zeiten,

teilen die kriege in gute und schlechte ein

gestehen den einen opfern den schmerz zu,

den wir den andern verwehren,

und vergessen darüber die menschlichkeit.


wir leben in unruhigen zeiten.

draussen rüsten die böllerschießer sich zum empfang eines neuen jahres

und ich fürchte

ich fürchte

ich fürchte

es wird keinen deut besser sein als das verflossene.


aber ich hoffe

ich hoffe

ich hoffe

auf ein ende der kriege, des hungers, des leids,

schritt für schritt auf zuhören, verstehen, respekt und versöhnung.

auf ein besseres jahr.

 

lasst euch umarmen.